Aula Klassik 3. Juni 19:45 Uhr
Aktualisiert: 7. Juni 2022
Wolfgang Amadeus Mozart Ouvertüre zu der Oper »Don Giovanni«
Sofia Gubaidulina »Fachwerk« für Bajan (Akkordeon), Schlagwerk und Streicher
Zdeněk Fibich Konzertouvertüre »Eine Nacht auf Karlštejn« op. 26
Antonín Dvořák Symphonische Variationen op. 78
Delyana Lazarova Dirigentin
Maciej Frąckiewicz Bajan (Akkordeon)
Göttinger Symphonieorchester
Zum Finale der Aula-Klassik-Reihe vereint das Göttinger Symphonieorchester unter der Leitung der bulgarischen Dirigentin Delyana Lazarova klug gebaute und spannend gestaltete Musik vom Ende des 18. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Am Freitag, 3. Juni 2022, um 19:45 Uhr stehen Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Sofia Gubaidulina, Zdeněk Fibich und Antonín Dvořák auf dem Programm. Und sogar die Besetzung ist teils ungewöhnlich: Maciej Frąckiewicz sorgt mit dem Bajan, einer Form des Akkordeons, für exotische Farbtupfer.
(Die beiden Termine von »Aula Klassik 5« wurden zusammengelegt; das im Programm geänderte Konzert findet entgegen der ursprünglichen Planung nun in der Lokhalle Göttingen statt.)
Tickets sind auf der Homepage des GSO unter www.gso-online.de sowie an allen bekannten VVK-Stellen erhältlich.
Es ist überraschend, dass Wolfgang Amadeus Mozart, dieser unfassbar produktive Aus-dem-Bauch-Komponist, dem alles, selbst das Bedeutendste, nur so aus der Feder geflossen sein muss, bei der Ouvertüre zu seiner Oper »Don Giovanni« ziemlich strukturiert zu Werke ging. Zwar entstand sie erst unmittelbar vor der Uraufführung, doch liegt ihr ein geschickter, die Handlung gleichsam interpretierender Schachzug zugrunde: Indem sie mit der Musik der Todesszene beginnt, verweist sie bereits mit den ersten Klängen auf das Schicksal des Helden, welchen wir kurz darauf im ersten Akt so voller amouröser Lebendigkeit kennenlernen. Diese paar Minuten Musik gehören zum Klügsten (und Schönsten), was Mozart geschrieben hat.
Auch die russische Komponistin Sofia Gubaidulina, die seit 30 Jahren in Norddeutschland lebt, schätzt die Schönheit, insbesondere die der Zahlen und der klaren Strukturen. Im Falle des 2009 entstandenen Konzerts »Fachwerk« für Bajan (ein in Osteuropa verbreitetes Akkordeon), Schlagwerk und Streicher kommen, der Titel legt es nahe, zudem Gedanken über Architektur ins Spiel. Funktionalität und Schönheit: Wie beim Bajan sind auch bei Fachwerk-Bauten gerade Strukturen samt Füllmaterialien auszumachen. Entlang einer Struktur, die in der Architektur vielleicht den Holzbalken im Fachwerkbau entsprechen könnte, erproben sowohl Bajan, als auch Streicher und das effektvoll eingesetzte Schlagwerk repetitive, dissonante, suchende Klänge, die sich mal gegenseitig stützen und mal in den leeren Raum zu fallen drohen, die sich wellenartig auftürmen, energisch insistieren und dann wieder in sich zusammenkrachen. Mitunter bleibt einem einfach die Luft weg. Wo hat man je solch ein kluges, revolutionäres Klangfeuerwerk gehört?
Keine Frage, der tschechische Komponist Zdeněk Fibich stand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Schatten seiner ungleich bekannteren Landsmänner Bedřich Smetana und Antonín Dvořák. Seine Handvoll Konzertouvertüren können es in ihrer Ausdrucksstärke jedoch durchaus mit den seinerzeit so beliebten symphonischen Dichtungen von Franz Liszt oder Richard Strauss aufnehmen. In der »Nacht auf Karlštejn« von 1886 versetzt er uns beispielsweise auf ein imposantes, hochgelegenes Gebäude südwestlich von Prag, das Kaiser Karl IV. Mitte des 14. Jahrhunderts erbauen ließ. Gar nicht nächtlich-leise, sondern mit Blechbläser-Fanfaren und klirrendem Schlagwerk geht es dort zu. Diese Nacht vergisst man nicht.
Mit dem bereits erwähnten Antonín Dvořák endet das Konzert ebenfalls tschechisch. Dessen älterer Freund und Förderer Johannes Brahms hatte ihn bekanntlich um seinen Einfallsreichtum beneidet. Und auch in den 1877 entstandenen und zehn Jahre später unter Hans Richter sehr erfolgreich in London uraufgeführten Symphonischen Variationen zeigt Dvořák, was er draufhat. Nicht weniger als 27 Variationen ersann er zu einem Thema, das er kurz zuvor für seinen Männerchor »Ich bin ein Geiger« erfunden hatte. Was ist das für ein kurioses Thema! Auf den ersten Blick ist es gar nicht so bemerkenswert, eine recht klar strukturierte Wellenbewegung in C-Dur. Aber für Überraschung sorgt ein Fis, das wie ein Ausrufezeichen den ruhigen Fluss unterbricht. Und zudem stolpert der Hörer über die ungerade siebentaktige Phrase – als wolle Dvořák deutlich machen, dass er wie kaum ein Anderer westeuropäische Traditionen mit osteuropäischer Volksmusik zu verbinden weiß. Schon schlau, wie der Meister der Groß-Symphonik dieses zu Unrecht oft als Nebenwerk abgestempelte Stück gebaut hat!