»SYMPHONIE CLASSIQUE« MIT WERKEN VON PROKOFJEW, SIBELIUS UND RAVEL
Aktualisiert: 11. März 2022
Jean Sibelius (1865-1957) Pelléas et Mélisande op. 46
Maurice Ravel (1875-1937) Le Tombeau de Couperin
Sergei Prokofjew (1891-1953) Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 – »Symphonie Classique«
Takeshi Moriuchi Dirigent
Göttinger Symphonieorchester
Musik vom Beginn des 20. Jahrhunderts, die auf moderne Herausforderungen verzichtet und das Ohr umschmeichelt. Zu erleben ist das erlesene Programm am Sonntag, 20. März 2022, um 17:00 Uhr im Deutschen Theater Göttingen. C´est fantastique!
Tickets sind auf der Homepage des GSO unter www.gso-online.de sowie an allen bekannten VVK-Stellen erhältlich.
Ach, wäre das schön! Man könnte sich das ganze Internet-Dating sparen, wenn man die Liebe ohne lange Checklisten sofort erspürte. Die Kulturgeschichte ist voll von diesen Liebespaaren, die wie Plus- und Minuspol aufeinandertreffen und fortan nie mehr voneinander lassen können. Romeo und Julia, Tristan und Isolde – oder Pelléas und Mélisande, über deren Liebe und Tod Maurice Maeterlinck ein 1893 uraufgeführtes Schauspiel schrieb und zu deren Schicksal Jean Sibelius 1905 seine Schauspielmusik als Orchestersuite vorlegte. In den ersten Sätzen dieser Suite dominiert ein tänzerischer, bildhafter, mitunter gemütvoll-heiterer Tonfall. Es scheint aber zu den ungeschriebenen Gesetzen fast aller großen Liebespaare zu gehören, dass am Schluss die Frau stirbt. Und zwar ausführlich. Auch in Sibelius‘ Suite steuert alles auf den Tod Mélisandes zu, auf den letzten Satz, der zugleich der deutlich längste und eindrücklichste des Werks ist. Die in seinen Symphonien üblichen breiten, sich langsam aufbauenden Klangflächen sind auch hier zu hören. »Morendo« (sterbend) steht passenderweise über den letzten Takten – nicht nur die um ihren (vom eifersüchtigen Widersacher getöteten) Pelléas trauernde Mélisande stirbt hier den stillen Tod, auch die Musik.
Im Paris des Fin de Siècle, in dessen Umfeld Maeterlincks symbolistisches Stück entstand, pulsierte das kulturelle Leben – zu dem auch Maurice Ravel gehörte. Nach dem Ersten Weltkrieg war er allerdings gesundheitlich angeschlagen; er konnte kaum noch schlafen, war ständig müde und angespannt. Die Kriegsjahre nagten an ihm. Er widmete die einzelnen Sätze seiner während des Krieges entstandenen sechssätzigen Klaviersuite »Le Tombeau des Couperin« seinen gefallenen Kameraden – 1920 wurde die viersätzige Fassung für Orchester uraufgeführt, welche Toccate und Fuge des Originals außer Acht lässt. Doch anstatt neue musikalische Wege der Moderne zu beschreiten, ging Ravel hier einen großen Schritt zurück: Sein Werk ist eine Hommage an den französischen Barock-Komponisten François Couperin (1668-1733); in entsprechend kleiner Besetzung beeindrucken vor allem die Feinheit und Grazie dieses Werkes.
Und was machte Sergei Prokofjew – mit seinem Geburtsjahrgang 1891 ja eigentlich durch und durch ein moderner Komponist – in seiner 1918 in Petrograd (heute St. Petersburg) uraufgeführten erster Symphonie? Er schlug sich ebenfalls auf die Seite der Konservativen. Das ist schon bemerkenswert. Während in Petrograd, dem Zentrum der damaligen Unruhen, Revolution herrschte, hielt sich der junge Mann vorzugsweise abseits der Stadt auf, um dort durch ein Fernrohr Sterne zu beobachten, lange Spaziergänge zu unternehmen und seine Erste zu schreiben. Den Beinamen »Klassische Symphonie« erhielt das vergleichsweise kurze Werke nicht ohne Grund. Denn in den vier knapp gehaltenen Sätzen nimmt Prokofjew deutlich Bezug auf alte Zeiten der Musikgeschichte: »Wenn Haydn noch lebte, dachte ich, würde er seine Art zu schreiben beibehalten und dabei einiges vom Neuen übernehmen. Solch eine Symphonie wollte ich schreiben.«